Schauspielerin Tina Keserovic (28) spielt auf Kampnagel das NSU-Mitglied



Wiebke Tomescheit

Es ist eine seltsame Position, in der man sich als Schauspielerin wiederfindet – wenn es da plötzlich jemanden gibt, dem man ganz schön ähnlich sieht. Und wenn dieser Jemand fürchterlicher Verbrechen verdächtigt wird, eine Hassfigur für Millionen Menschen ist. Tina Keserovic (28) hat damit leben gelernt: Am Donnerstag, Freitag und Sonnabend spielt sie auf Kampnagel die Beate Zschäpe. Wieder mal.

„Wie das Lächeln aus dem Gesicht von Beate Zschäpe verschwindet“ heißt die Performance von Branko Šimic (47), die im Rahmen des „Krass-Festivals“ gezeigt wird. Der gebürtige Bosnier macht Zschäpe darin zum Mittelpunkt einer populären Spielshow des alten Jugoslawiens: „Kwiskotheka“.

Aber wie soll der Rahmen einer Quizshow funktionieren, wo Beate Zschäpe doch bekannt dafür ist, vor Gericht zu schweigen – und höchstens provozierend zu lächeln?

„Inzwischen hat sie ja angefangen, zu reden“, sagt Tina Keserovic. „Meine Rolle besteht aus den Originaltexten aus Gerichtsdokumenten, aber auch aus fiktiven Aussagen. Und der privaten Ebene.“

Die private Ebene deshalb, weil Keserov wegen ihres Aussehens bereits beim Bäcker angesprochen wurde. Und generell viel darüber nachdenkt, wofür Beate Zschäpe derzeit überhaupt steht – und wie sie selbst darauf reagieren soll. „Mir geht auf die Nerven, wie mit dieser Frau umgegangen wird. Um Zschäpe wird durch die Medien ein Kult aufgebaut – den wollen wir dekonstruieren. Lasst uns weggehen von dieser Ikonisierung!“

Irritiert hat die 28-Jährige auch ein Erlebnis während eines Konzerts: Als nämlich die HipHop-Gruppe Antilopen Gang den Release ihrer Single „Beate Zschäpe hört U2“ feierte. Im Video dazu hatte Tina Keserovic bereits 2014 die Rolle des NSU-Mitglieds übernommen.

Zur Release-Party hatte die Band sie aber ganz privat eingeladen. „Da hat der Manager mich plötzlich auf die Bühne geschubst – und da jubeln dir dann Tausende Menschen zu!“ Aber jubeln sie für die  Schauspielerin – oder deshalb, weil Beate Zschäpe zu einem Stück Popkultur wird?

„Ist sie längst“, sagt Keserovic, verärgert. Sie und Regisseur Branko Šimic, mit dem sie seit Januar an der Kampnagel-Performance arbeitet, finden viel dringlicher, das Versagen rund um die NSU-Ermittlungen aufzuklären, statt die 41-Jährige zu analysieren. „Wie kann es sein, dass diese Gruppe so lange aktiv war und bei ihren Raubüberfällen, wie ich hörte, sehr amateurhaft vorgegangen ist, nicht erkannt und gestoppt wird?“, fragt sich Šimic.

Tina Keserovic hatte auch für die Hauptrolle in der ZDF-Pseudo-Doku „Letzte Ausfahrt Gera“ vorgesprochen. „Ich hatte aber nicht das Gefühl, dass dort jemand wirklich an dem Fall und an der Person interessiert war.“ Sie zuckt die Schultern, ist froh, dass die Rolle an eine andere ging. „Theater arbeitet inhaltlicher.“

Und, ist sie inzwischen genervt davon, so oft die selbe Rolle spielen zu müssen? „Genervt – nein“, sagt sie. „So lange es nötig ist, muss diese Frau gespielt werden.“

aus: Hamburger Morgenpost, S. 26/27, 25. Februar 2016